September - Das Phantom in der Wiese!

Was ist denn das? Ein seltsam rätschendes, sich wiederholendes, recht lautes Geräusch war Anfang Juni in den Wiesen bei Eulenbis zu vernehmen. Gefolgt von längeren Pausen setzte plötzlich dieses unverkennbare, schnarrende Geräusch ein. Mal war es direkt neben einem zu hören, zum Greifen nah, dann wieder fast 20-30m entfernt. Kein Sichtkontakt, nichts. Kein Grashalm hatte sich bewegt. Das gibt es doch nicht! Nur noch eine halbe Stunde und die Sonne verschwindet hinter dem Eulenkopf.

Plötzlich huschte etwas quer über den grasbewachsenen Feldweg, lief dann am hohen Grasstreifen entlang, stoppte kurz und verschwand dann so urplötzlich und heimlich, wie es aufgetaucht war, wieder in der dichten Vegetation. Rebhuhngroß, auf zwei Beinen schnell laufend, von schlanker Gestalt mit einem huhnähnlichen Hals. Die Federn eng anliegend und geschlossen. Das Phantom hatte endlich ein "Gesicht"!

Es handelt sich um den sehr seltenen und gefährdeten Wachtelkönig (Crex crex).

Sein deutscher Name Wachtelkönig ist irreführend. Dieser etwa rebhuhngroße Vogel ist nicht mit den Wachteln verwandt, diese gehören nämlich zu den Hühnervögeln, sondern mit der Blässralle (-huhn) und der Teichralle (-huhn). Er gehört also zur Familie der Rallen und müsste eigentlich Wiesenralle genannt werden. Der zoologischen Systematik folgend gehört die Familie der Rallen in die Ordnung der Kranichvögel und damit rückt der Wachtelkönig in die Nähe einer sehr bekannten und auffälligen, aber nicht weniger gefährdeten Vogelart, dem Kranich.

Sein Gesang ist Programm

Volkstümliche Namen verdanken ihren Ursprung sehr häufig entsprechenden Verhaltens- oder Lebensweisen. So wird der Wachtelkönig z.B. auch Grasrätsche, Wiesenschnarcher, Knarrer, Nachtschreier, Schnarrwachtel, knarrendes Rohrhuhn genannt. In diesen Namen spiegelt sich sein häufigstes Erscheinungsbild wieder, sein unüberhörbarer, eintöniger Ruf (Gesang). Ihre Anwesenheit verraten Wachtelkönige nur durch ihre meist nachts oder in der Dämmerung vorgetragenen Rufreihen aus charakteristischen zweisilbigen und aus der Nähe ohrenbetäubenden "Crrrex-Crrrex" - Rufe, die über einen Kilometer weit zu hören und unverwechselbar sind. Es klingt so, wie wenn man mit einem dünnen Brettchen schnell über die Zacken eines Kammes fährt.Wer ihn einmal gehört hat, wird den Vogel immer wieder an dieser Stimme erkennen. Woher der lateinische Name stammt, erklärt sich also von selbst.

Anfang Juni hatte ich selbst das Glück, diesen scheuen und sehr seltenen Wiesenvogel bei uns am Eulenkopf zu hören und zu sehen. Bereits im Mai wurde der Wachtelkönig von weiteren NABU-Mitgliedern bei Hütschenhausen verhört und beobachtet.

Ende Juli stellt das Männchen aber seine ausdauernden Rufe ein und wurde dann auch nicht mehr von uns wahrgenommen.

Interessant ist, dass der Wachtelkönig an zwei unterschiedlichen Stellen über einen längeren Zeitraum zu beobachten bzw. zu hören war, in den Jahren zuvor überhaupt nicht. Eine mögliche Erklärung dafür könnten die Untersuchungen in der Rhön liefern: "Die Zahl der rufenden Männchen, und nur die kann man kartieren, schwankt zwischen den einzelnen Jahren so stark, dass man kaum von einem kontinuierlichen Bestand sprechen kann. In einem Jahr rufen über 20, ein Jahr später vielleicht nur fünf Tiere auf der gleichen Fläche mit der unverändert gebliebenen Nutzungsart des Grünlands.Gerade beim Wachtelkönig hängen die einzelnen Tiere der europäischen Population großräumig zusammen. Dementsprechend weit können einzelne Tiere umherziehen und rufen."  

Da ein direkter Brutnachweis fast unmöglich ist, muss man sich allein am kontinuierlichen Gesang der Männchen orientieren. Es bleibt abzuwarten, ob der Wachtelkönig bei uns in den nächsten Jahren wieder zu beobachten ist.

Lebensraum

"Der Wachtelkönig ist vor allem in Lebensräumen mit Frühjahrs- beziehungsweise Winterhochwässern verbreitet, etwa in Seggen, Pfeifengras- oder Iriswiesen. Er braucht deckungsreiche Vegetation mit mindestens 35 cm Wuchshöhe.

Auch extensiv genutzte Agrarflächen, insbesondere Weidewiesen, sowie Verlandungszonen kann die Art besiedeln. Neststandorte sind oft Vegetationsinseln mit ganz dichtem Bewuchs – zum Beispiel mit Pfeifengras oder Brennnesseln. Bevorzugt werden Standorte in der Nähe von Büschen – jedoch brütet die Art ebenso in Getreidefeldern oder auf Wiesen, wenn nur genügend Deckung vorhanden ist." (Wikipedia)

Der Wachtelkönig war bei uns früher relativ häufig. Mittlerweile sind sie extrem seltene Vögel, die auch international in ihrem Bestand bedroht sind. Die Hauptursache für den dramatischen Bestandsrückgang liegt in der geänderten Bewirtschaftungsform von Dauergrünland. Da die Vögel erst im Mai zu uns kommen, wenn die Krautschicht der Wiesen für ausreichend Deckung hoch genug ist, wären auf der einen Seite Frühmahdstreifen, auf der anderen Seite eine Verschiebung des Mähtermins bei Gebieten mit Brutverdacht bis mindestens Mitte August zwingend erforderlich. Nur so kann ein Bruterfolg sichergestellt werden.

Kurzer Steckbrief

Größe: 27-30cm

Gewicht: 135-200g

Nahrung:

Insekten, Würmer, Sämereien

Bodenbrüter

8-12 Eier

Brutdauer: 16-19 Tage

Nestflüchter

flugfähig: 34 - 38 Tage

Langstreckenzieher

Überwinterung:

Spanien, nordwestliches und östliches Afrika

Besonderheiten

Der Wachtelkönig ist polygyn, d.h. die Männchen paaren sich mit mehreren Weibchen in den einander überlappenden Revieren und bleiben mit einem von diesen bis zum Ende der Brutzeit zusammen, während die anderen begatteten Weibchen ihre Jungen allein aufziehen.

Text und Fotos: Ingo Stiegemeyer

 

 

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