Hase oder Kaninchen?

Der Feldhase (Lepus europaeus) ist eines der bekanntesten Wildtiere in unseren Breiten. Seinen Bekanntheitsgrad in der breiten Bevölkerung verdankt er wohl der Geschichte der Brüder Grimm „Der Hase und der Igel“. Letztendlich aber dürfte der „Osterhase“ eine nicht zu unterschätzende Rolle hinsichtlich seiner Beliebtheit gespielt haben. Ebenso sind es die verschiedenen Bezeichnungen für den Feldhasen, wie Meister LampeMümmelmannLöffelmann oder Aussagen, die bestimmte Verhaltensweise des Feldhasen wie „Der schlägt Haken wie ein Hase“, aber auch Redewendungen wie „Angsthase“ oder „Hasenfuß“, die zu seiner alltäglichen Präsenz bei uns führen.

Umso erstaunlicher ist, dass der Feldhase und das ebenfalls weit verbreitete Wildkaninchen immer wieder verwechselt oder als eine Tierart betrachtet werden.

Der Feldhase (Lepus europaeus)

Der Feldhase und das Wildkaninchen sind leicht an den Ohren, den Löffeln, zu unterscheiden. Die Hasenlöffel sind deutlich länger und haben auffällig schwarze Spitzen. Das Gesicht des Feldhasen ist länglich und seine Augen zeigen eine helle Iris.

Erregt etwas seine Aufmerksamkeit, so stellt er sich auch mal auf seine Hinterbeine, um sich eine bessere Sicht zu verschaffen.

Das Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus)

Die Markenzeichen des Wildkaninchens sind neben den kurzen Ohren das runde Kindergesicht und die relativ großen, dunkleren Knopfaugen. Damit liegt der Niedlichkeitsfaktor deutlich bei den Wildkaninchen, den Stammeltern unserer Hauskaninchen.

Da diese langläufig auch als Hasen („Stallhasen“) bezeichnet werden, könnte hier die Erklärung für die Gleichbehandlung oder Verwechselung liegen.

Eine Kreuzung der beiden Arten ist jedoch nicht möglich.

Verhaltensweisen

Des weiteren zeigen sich auch deutliche Unterschiede in den Verhaltensweisen.

Der Feldhase ist ein Einzelgänger und nur zur Paarungs- oder Rammelzeit sehen wir mehrere Hasen auf dem Feld herumtollen. Dann nämlich, wenn mehrere Männchen, die Rammler, einer Häsin nachstellen. In freier Wildbahn sind die Geschlechter wenn überhaupt nur zu dieser Zeit zu unterscheiden. Trifft der Hasenmann auf eine Häsin so beginnt eine rasante Verfolgungsjagd, in der das Weibchen wilde Haken schlägt. Durch dieses Schauspiel werden auch andere Hasenmänner angelockt, die sich um die Gunst der Häsin streiten. Sie richten sich dabei auf ihre Hinterläufe auf und schlagen erregt mit den Vorderpfoten aufeinander ein. Dabei kann gelegentlich mal ein Ohr aufgeschlitzt werden, aber ernsthaftere Verletzungen gibt es nicht. Diese Duelle dauern durchaus Stunden und wenn die Häsin ihren Platz verlässt, dann lassen die mitunter 6 oder 7 Freier voneinander ab und folgen ihrer Auserwählten. Dieses muntere Spielchen dauert so lange, bis es einem der Rammler gelingt, die Häsin für sich zu gewinnen.

Im Gegensatz dazu ist das Wildkaninchen oder Karnickel ein sozial lebendes Tier. Die geselligen Tiere graben weitverzweigte unterirdische Gänge mit geräumigen Kesseln bis fast in 3m Tiefe. In diesem gemeinsam angelegten Wohnungsbau leben die Tiere in Gruppen von 8-10 Artgenossen. Die Eingänge sind meist von Büschen oder Gräsern verdeckt. Bei trockener Witterung ruhen sie auch mal außerhalb des Baues.

Der Feldhase hingegen ruht in einer flachen Mulde (die Sasse) im Gebüsch, am Waldrand, im hohen Gras oder auf dem freien Feld. Hier vertraut er auf seine gute Tarnung und erst bei einem Abstand von 3-5m springt er blitzschnell auf und läuft hakenschlagend davon.

 

Fortpflanzung

Die Fortpflanzungszeit des Feldhasen beginnt bei uns durchaus schon im Januar und dauert bis Oktober. Nach einer Tragezeit von 42 Tagen werden die Jungen behaart und sehend geboren. Sie sind „Nestflüchter“ und erkunden schon in den ersten Tagen die Umgebung der Sasse. Sie werden dann von der Mutter noch 2-3 Wochen gesäugt und dann ihrer Selbstständigkeit überlassen. Nach weiteren 6 Monaten sind sie dann ausgewachsen und geschlechtsreif. Eine Häsin kann pro Jahr 3-4 Würfe mit je 1-5 Jungen zur Welt bringen.

Die sprichwörtliche Vermehrung der Karnickel geht von Februar bis Juli, in der die Weibchen 5-7mal 5-9 Junge haben. Dies ist aufgrund der geringen Tragezeit von 28-31 Tagen möglich. Die Jungen der Wildkaninchen sind ausgesprochene „Nesthocker“, die blind und nackt in einer unverzweigten unterirdischen Röhre, dem Setzbau, geboren werden. Nach 10 Tagen öffnen sie die Augen und mit 4 Wochen sind sie bereits selbstständig und mit 8-10 Monaten geschlechtsreif.

Lebensraum

Aufgrund des Höhlenbaus bevorzugen Wildkaninchen sandiges Gelände mit Hecken und lichten Waldungen, während der Feldhase ein Bewohner der offenen Feldflur (Felder und Wiesen) ist. Wildkaninchen sind auch verstärkt in Parkanlagen, Friedhöfen und Gärten anzutreffen. Beide Arten sind reine Pflanzenfresser und eher dämmerungs- bis nachtaktiv, aber durchaus auch tagsüber zu beobachten. Letzteres ist stark abhängig vom Jagddruck durch den Menschen.

Eine bemerkenswerte Besonderheit von Hase und Kaninchen stellt der Kot dar. Sie bringen zwei Kotsorten hervor. Den üblichen harten, rundlichen Darmkot (die Losung), sowie weichen, vitaminhaltigen, schleimüberzogenen Blinddarmkot. Letzterer wird sofort nach der Ablage wieder unzerkaut geschluckt.

Der Meister der Lampe oder was?!

Die Bezeichnung „Meister Lampe“ wurde im altdeutschen Sprachgebrauch in Fabeln bzw. Märchen für den Feldhasen verwendet. „Ursprünglich, so z. B. im Tierepos Reynke de vos, trugen die meisten Tiere in den Fabeln männliche Vornamen: Der Hase hieß Lamprecht, der Fuchs Reineke (norddeutsche Form von Reinhard) usw.

Die Verkürzung von Lamprecht zu "Lampe" wurde sicherlich gefördert durch die Beobachtung, dass bei rennenden Feldhasen sich ihr (im Vergleich zum Hauptfell) helleres Unterfell am Hinterteil sichtbar in die Luft hebt. Wenn sich der Hase vom Betrachter entfernt, entsteht so der Eindruck eines ständigen Aufleuchtens, was an eine Lampe erinnert.

 

In der Jägersprache wird der helle Fleck des Hasenschwanzes als Lampe bezeichnet.“ (entnommen aus: Wikipedia)

Text und Fotos: Ingo Stiegemeyer

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